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Rosa Tag

Am Neujahrstag stand jemand am Bahnhof einer Kleinstadt. Die Weihnachtszeit, die zurückliegenden sentimentalen Tagen konnte er sich nun einmal nicht vorstellen für seine Absicht, loszureisen, um Fuß zu fassen in einem fremden Land; wenn alle mit Geschenkeeinkaufen und Familieneinladungen ihren Kopf verdreht und verrenkt hatten. Noch dazu in einer Weltstadt dieses anderen Landes, wo sich diese Metropole befand, welches sein Ziel darstellte, eines nämlich, das ihm besonders familien- und hundelieb vorkam. Es passte heutzutage nicht mehr zusammen, an Weihnachten an fremde Tore zu pochen. Auch nicht bei einer Verwandten, seiner Tante, beabsichtigte er Einlass zu erbitten, die ihm als seine vorläufige Anlaufstelle dienen sollte, von wo aus er nur die Telefone so erklingeln lassen wollte, um eine Wohnung ergattern zu können, kurzum von dort aus er sich den Ausgangspunkt seiner neuen Existenz dachte. So wie er dastand dort, halt in seiner Aufmachung, wie man so sagt, seinem Erscheinungsbild nach, läuft vielleicht ein Mönch vom vorletzten Jahrtausend herum! Weit gefehlt, dass man daraus aber den Schluss ziehen konnte, dass sich darin das Verhältnis zu seinem eigenen Körper wiederspiegelte. Mag man in Südafrika durchschnittlich nur einskommafünf Jeans besitzen, wie eine Statistik behauptet, so passen diese eine und halbe Hose wenigstens auf dem Leib und betonen das Schöne des Körpers, so dass es eine wahre Pracht ist, junge Männer anzuschauen, welche es vergönnt ist, sie tragen zu dürfen. Nein, an seinem Aussehen tut sich eher das Verhältnis seiner Umwelt zu seinem Körper kund als seines selbst, worauf er keinerlei Anrecht zu haben scheint, alles anderes als ein freies Selbstbestimmungsrecht besitzt.Seine Hosen waren von seiner Mutter ausgesucht, meist Jeans, aber keine Markenjeans. Es muss sich beileibe nicht um Blue Jeans 501 handeln. Weder um diese Zahl, noch um diese Farbe. So eitel ist er nun nicht. Aber diejenigen, die er am Leib trägt, betonen alles andere als seine Figur. Nun, wie wirkt wohl eine Jeans, die erdbraun ist und die statt eines saloppen Reißverschlusses Metallknöpfe besitzt? Die auch von dem in ihm Drinsteckenden beim Kauf nicht anprobiert worden ist? Sie sind viel zu weit und hängen überdimensional schlotternd an den Oberschenkeln weg. Zudem noch sein Hemd, das man sich nur anschauen musste, welches auch zu groß ist, ist ihm zwangsweise vom Vater übertragen worden, obwohl dieser selbst um einige Nummern kleiner als der Sohn ist, daran liegend, dass der Vater meist im Freien sommers wie winters arbeitete, und da konnte es ja nicht warm genug sein. Nicht genug, dass sie zu weit ist, sie ist darüber hinaus auch deswegen sehr schwer. Es ist ein ausrangiertes Hemd, ein paar Mal schon zusammengeflickt, mit Modedesign aus dem letzten Krieg. Seine Erinnerungsfähigkeit reichte nicht einmal mehr bis dahin, wann er sich je selbst eins ausgesucht hatte. Die von seiner Mutter aus den diversen Altenheimen zusammengeklaubten Hemden und Hosen tun’s ja schließlich auch, so deren Einstellung, zumindest erfüllen seinen Zweck. Durch das Bahnhofsareal zog ein eisiger, zugiger Wind, der die Holzüberdachungen bedrohlich zum Wanken brachte. Hier wird auch alles ziemlich marode, dachte er, unübersehbar, ins Auge stechend, so nur konnte es ein Fremder wahrnehmen. Nur die Automaten sind auf dem neuesten Stand, immerhin, und dies gleich digitalisiert. Aber zum Glück reißen sie diese aus früheren Zeiten stammenden Anlagen wie Unterführungsüberbau noch nicht ab, dachte er als Einheimischer. Ansonsten machen’s ja alles kurz und klein, was ihnen unter die Finger kommt, wer?, na den lebenden Zeitgenossen nämlich. Bald würde er sich darüber nicht mehr ärgern müssen, vergessen könnende die stets schwelende Wunde, dass alles, aber auch wirklich alles neumodischer, steriler und abstoßender Funktionalität weichen musste. Er hatte noch Zeit, rauchte seine erste Zigarette, trank aus seiner ersten Kaffeetasse - neurotisch süchtig nach Koffein und Nikotin, wobei er die Ursache eigentlich kannte, wenngleich völlig wehrlos dagegen war, Langeweile- und Ödegefühle - als er um die Ecke kommen sieht jemanden, der eine Thermosflasche in der Hand hielt, durch die Tür der Toilette ging und darin das Wasser zum Rauschen brachte, wie man wohl bald eindringlich, wenn auch gedämpft gut durch die Toilettenwände würde zu hören bekommen. In dieser Voraussichtlichkeit aller Dinge und Geschehnisse, die die Menschen um ihn herum in Bewegung setzten, wie bei sprichwörtlichen Gewohnheitstieren, lag auch ein Umstand seines desolaten Zustandes. Sein Cousin war es, der im Winter kein Wasser hatte, dafür öffentliche Bedürfnisanstalten in Anspruch nehmen musste. Das Ergebnis einer merkwürdigen, für kleinstädtische Verhältnisse möglicherweise unüblichen Biographie. Mit einer Holländerin verheiratet gewesen, stand bereits der Hundertachtzigtausend DM teuere Bauplatz, als diese nicht mehr wollte und zurückwanderte, woher sie kam. Daraufhin wollte Manfred auch nicht mehr. Was? Na, den kleinstädtischen Lebensvorstellungen entsprechen natürlich. „Ich lass mich doch nicht ausbeuten!“, womit er wohl die Bedingungen an seinem Arbeitsplatz meinte, gesagt und getan, dass er die bislang aufgebauten Lebenszusammenhänge radikal abbrach. So einem Menschen blüht eben das Schicksal, dass er im Winter mit seiner Thermosflasche in der Bahnhofstoilette steht und das eisigkalte Wasser aufrauschen lässt, so dass es durch das enge, kleine Fenster herausrauscht und den ganzen Kleinstadtbahnhof erfüllt, wohl weil die Rohrleitungen seiner bescheidenen Unterkunft selbst, einer städtischen Obdachlosensiedlung, wieder einmal zugefroren sind. Recht besehen, klingt das vielleicht dramatischer als es in Wahrheit ist. Denn die öffentlichen Toiletten hierzulande stinken ja kaum, - außer vielleicht unmittelbar nach verrichteter Dinge der intimen Geschäftemacherei - sind alles in allem sauber gehalten und haben fließend kaltes, oft auch warmes Wasser. Zumindest wenn man es so betrachtet, dass das dreckigste deutsche Klosett noch sauberer als das sauberste in irgendeinem anderem Land auf der Welt ist, kann es so menschenunwürdig tragisch kaum sein. Oder? Keiner, der so denkt, überlegt er, wird beispielsweise von einem Strafvollzug hierzulande sprechen können, eher von einem Männergenesungswerk ob der in diesen Gemäuern zur Verfügung gestellten Luxusgegenstände wie Fernseher, Zentralheizung und Kanalisation - und nicht die mindeste Spur von Mitleid für einen sogenannten Obdachlosen empfinden, wobei dieser Freiherumlaufende allerdings beschissener dran ist als der Eingekerkerte. Insofern wird bei demjenigen die härteste Strafe vollzogen, der sich nicht anpassen und einfügen will, schlimmer noch wie bei einem sogenannten Verbrecher gleich welcher Ausprägung. Diese Gesellschaft, wie man sagt, besser diese Menschen hier - wie er sie satt hatte! Er nuckelte an seiner Zigarette.

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