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Oskar - ein Jugendroman

Jugendbuch "Die
                                      Eroberung"

Die Eroberung - ein Jugendbuch



Oskar - Ein Jugendroman

 `Ich bin impotent; als Eunuch geboren, ich!' Lange quälen ihn derartige Gedanken bis zufällig wegen einer lapidaren Grippe eine Ärztin Vorhautverengung diagnostiziert und mit einer ungefährlichen Routineoperation den Kunstfehler der Natur beseitigt.

 Die Ärztin ist pass erstaunt über ihren unter merkwürdigen Umständen in ihre Hände verschlagenen Patienten, kennt sie doch seinen Vater, einen Kollegen mit untadeligem Ruf. Sie geht um den Tisch herum und tritt an ihn heran: "Aber Sie haben mir gar nicht gesagt, warum nicht eigentlich ihr Vater die Operation durchgeführt hat? Es handelt sich doch hier nur um einen Routineeingriff an der Eichel des Penis?"

 Oskar zuckt ratlos die Achseln, während er in seiner Nase bohrt. Der Vater, der Arzt ist! Was hat er getan? Er hat auf der ganzen Linie auf seinem Berufssektor gegenüber seinem Sohn versagt. Er ist untätig geblieben wegen dessen schmerzhafter Vorhautverengung.

 Der Vater ist stets allgegenwärtig im Hintergrund. Normalerweise ist er hinter seiner Arbeit verschanzt, der sogar die Mutter rüde zurechtweist, sobald sie sich für sein Metier interessiert: "Das geht Dich nichts an. Mach Du Deine Arbeit, ich habe meine!"... Mit maßlosem Erwartungsdruck steht er stets hinsichtlich seiner beruflichen Leistungen hinter Oskar, um ihn zu gegebenen Anlaß anzutreiben, ohne sich allerdings dabei die Hände schmutzig zu machen, schließlich hat er ja seine Erfüllungsgehilfin, die Mutter Oskars. Der Vater weiß, wo's langgeht, und ihm muß Gehorsam geleistet werden.

 Wie leicht hätte er seines Sohnes Ungemach aus der Welt schaffen können? Warum nur hat er sich so bedeckt gegeben? Egal, jetzt hat er bald, was er verdient! Sofort nach dem Abitur zieht Oskar aus dem Elternhaus.

*

 Die Freundschaft mit Marie ging sich so gut an, abgesehen einmal von den seelischen Nachwirkungen des geschlechtlichen Desaster, das ja mittlerweile aber aus der Welt geschafft worden ist.

 Sowie die Eltern Oskars von der Bekanntschaft ihres Sohnes erfahren, schalten sie sich mit denen der Französin kurz, arrangieren ein offizielles Treffen zum Kennenlernen und besuchen sich abwechselnd in Deutschland und Frankreich.

 Also wieder in der Zwickmühle. Ihm geht diese familiäre Verschwörung im Innersten total gegen den Strich. Dennoch zieht er Vorteile daraus: Ohne Schwindeleien und mit halbherziger Unterstützung der Eltern darf er Marie einige Male besuchen. Auch wird ihm das erste Mal in seinem Leben erlaubt, ins Ausland zu reisen - mit ihr, allerdings nicht ohne deren Schwester.

 Letztere dann muß sich aber vorzeitig wieder von ihnen trennen, um wegen Prüfungsvorbereitungen rechtzeitig nach Deutschland zurückzufahren. Beiden, Oskar und Marie, verbleibt ein kümmerlicher Urlaubsrest.

 Sie gehen ins Café, da der Zeitpunkt gekommen ist, an dem geplant, der weitere Fortgang gestaltet werden muß. Aber endlich einmal ist er mit ihr allein; sind sie allein mit sich.

 Oskar bringt zunächst vor Freude kein Wort heraus; sie wohl deshalb, weil sie verlegen ist.

 Weswegen aber hat ihr denn nicht das Essen geschmeckt?

 "Magst du es bitte noch aufessen?"

 "Natürlich!" Er ißt es ihr zuliebe auf.

 "Du bist wie mein Vater. Dieser tut auch immer so, als erbarme er sich aller Sünden dieser Welt, indem er sagt: Dann esse ich halt noch den Rest vom Familientisch. In Wahrheit hat er sehr wohl großen Appetit", interpretiert Marie sein Verhalten überraschend.

 Er starrt sie wütend an. Aber Marie senkt den Kopf, läßt ihre langen, braunen Haare übers Gesicht fallen und offenbart ihren weißen Nacken, den einige süße fleckige Muttermale zieren.

 Da er dadurch milde gestimmt wird, schluckt er seinen Ärger herunter.

 Aber die Folge dieses Gesprächs ist nun, daß Oskar jetzt erst anfängt, in ähnlichen Situationen so zu tun, als sei er ihr Vater. Er übernimmt bei allen sich bietenden Gelegenheiten dessen Verhalten, mag er sich dagegen noch so sehr sträuben.

 Ein paarmal setzt er an, ihr zu sagen, daß zwischen ihnen etwas nicht stimme und sich unfrei vorkomme. Doch Maries Erwartungshaltung ist stärker.

 Immer unwohler fühlt er sich dabei in seiner Haut. Der ganze restliche Urlaub wird ihm dadurch verdorben.

 Überhaupt Maries unterwürfiges und abhängiges Verhalten ihren Eltern gegenüber: ein Hinderungsgrund, eine totale Blockade für ihn und sie beide!

 Wie war's bereits, als er Marie das erste Mal allein in Frankreich besucht hatte? Er, ohne daß dem mächtigen Schatten seiner Eltern, stand dennlch wieder unter dem Bann Erziehungsgewaltiger! Der Maries Eltern.

  Man sagt, über Sympathie werde binnen Momente einer ersten Begegnung entschieden. Bei dieser Familie ist dies für ihn völlig verhängnisvoll! Denn die Mutter fordert ihn bereits nach wenigen Minuten seiner Ankunft bekennerisch auf: "Wir sind katholisch. Und Sie, sind's Sie wirklich im innersten Herzen?"

 Damit hat er nicht gerechnet. Dieser gewaltige Zwang zum Bekenntnis mit einer Unbedingtheit herangetragen, die ihn instinktiv rebellieren läßt: "Wissen Sie, ich bin mir nicht so im klaren über die Funktion der Kirche und, äh, der Glaube ist wiederum eine andere Sache...", stottert Oskar herum.

 Bevor er seine Aussage auf einen diplomatischen Nenner bringen kann, fährt aber schon die matriarchalische Mutter schneidend dazwischen: "Oh, Sie haben dazu Zweifel! Wie bedauerlich, wirklich bedauerlich dies..."

 Der ätzende Blick streift Marie, das Nesthäkchen, die unterwürfig, ehrfürchtig und eingeschüchtert die Wimpern senkt, das Haar ins Gesicht fallen läßt und in frommer Weise die Hände im Schoß verschränkt, wandert dann zu den anderen, den natürlich anwesenden sonstigen Blutsverwandten, die um so direkter, schamloser und neugieriger dem Tribunal folgen, offensichtlich sehr erfahren in den Ablauf solcher Prozeduren.

 Bereits im Urlaub hat sich ihm Marie ja schon entfremdet, ist gleichsam zu einer anderen Person geworden, anders in Deutschland, wo sie hilfsbedürftig, bindungslos und frei gewesen war. Hier in der Familie allerdings, als Mitglied einer anderen Machinierie, auf die er nicht den geringsten Einfluß haben kann, entzieht sie sich ihm völlig.

 Tief betrübt fährt er zurück. Beim zweiten Besuch muß sich dies ändern: er will seine Marie, seine frühere Marie wieder zurück!

 Diesmal ist alles arrangiert. Die Eltern Marias sind auf unbestimmte Zeit verreist. Er lebt und übernachtet einige Tage im großen Haus Maries allein mit ihr.

 Er sitzt gerade am Küchentisch, als das Telefon schrillt. Marie nimmt den Hörer ab: "Ja, Mami, ist recht! Bis bald!"

 Oskar naiv: "Haben deine Eltern sich noch ein paar weitere Tage gegönnt!" Aber Marie ist völlig aufgelöst: "Nein, Oskar. Sie werden in wenigen Stunden dasein! Was machen wir nur jetzt?" "Wie, was? Was sollen wir schon machen?" "Du kennst meine Mutter nicht. Sie erwürgt mich eigenhändig, erfährt sie, daß ihre Tochter mit einem Jungen einige Tage und Nächte verbracht hat, noch dazu in ihrem geheiligten Räumen, hier zuhause." Krasse Worte, die wohl nicht des Hintergrundes entbehren.

 Na bitte! Marie ist wieder von einer Sekunde zur anderen eine völlig andere geworden. Wo ist nur plötzlich diese vorher dagewesene enge Vertrauensseligkeit, Gemeinsamkeit und Gemeinschaft zwischen ihnen hinverschwunden, abrupt wie eine Nabelschnur durchschnitten.

 "Oskar, du mußt sagen, wenn sie kommen: Ich bin gerade erst gekommen", bittet Marie ihn inständig, weil sie sich fürchtet und verängstigt ist.

 "Ich soll eine Komödie aufführen, lügen?"

 "Ach bitte, bitte Oskar!", sie beugt sich zu ihm hinüber.

 "Nein, Marie. Das kannst du nicht von mir verlangen."

 Marie erhebt sich, geht um Oskar herum, während sie um seine Schultern streicht und von hinten den Kopf auf seine Achseln und an seinen Kopf legt. "Tu's mir, uns zuliebe. Mami wird uns nicht mehr zusammenlassen, wirst nicht mehr zu mir kommen dürfen und ich nicht mehr zu dir!"

 "Das ist mir egal!" Oskar kocht.

 "Willst du wirklich, daß wir uns nicht mehr sehen können?" Sie küßt ihm ins Ohr.

 "Nein, Marie, aber..."

 Sie küßt ihn auf den Mund, wobei es schmatzt: "Oh Cherie!", und Tränen kullern ihr herab. So läßt er sich widerwillig darauf ein.

 Die Mutter entdeckt natürlich Flecken vom Wein im Bett, meint, er sei gerade gekommen und sofort mit ihrer Tochter dahineingestiegen. "Ich will einmal mit Oskar allein sprechen. Marie, du gehst auf dein Zimmer und entfernst diese, diese Flecken", blustert sie wütend aus. Nachdem Marie hinausgegangen ist, schlägt sie unsanft die Tür hinter sich zu.

 "Und nun zu ihnen!"

 Am besten ihr jetzt die Wahrheit sagen. Das baut noch größeren Mißverständnissen vor, untergräbt sich verschlimmerndes Unheil. "Ich will Ihnen die Wahrheit sagen, Frau..."

 Doch die Mutter ist eine andere Person als eine solche, die jetzt auf besänftigte Worte, der Wahrheit wohl offenstehender Haltung zuginge. "Ich verstehe schon, ich verstehe sehr gut. Sie brauchen mir nichts zu erzählen, Oskar. Auch ich war einmal jung gewesen. Ich kenne nur allzugut die Wahrheit!" Und beim letzten Wort überschlägt sich ihre Stimme. Und ein sich gewaschener Wirbelwind moralischer Entrüstung braust über ihn hinweg.

 Oskar kapiert, als es jetzt zu spät geworden ist, in welch lächerlich komödiantische Falle er hier hineingetappt ist, wehr-, hilf- und rettungslos.

 Er hat sich als Gast unmöglich benommen, ist unangemeldet, wohl gar heimtückischerweise zu dem abgewarteten Zeitpunkt, als die Eltern gerade verreisten, hierhergefahren, sofort mit der Tochter des Hauses ins Bett gestiegen, gegen den Willen dieser so Naiven, Wohlbehüteten und Arglosen. Somit hat er das großzügige Gastrecht einer Familie aufs schimpflichste, um nicht zu sagen irreparabelste mißbraucht; er hat den heiligen Frieden einer katholischen Familie insofern zerstört, als er deren jüngste, unschuldige Tochter verführt und somit mißbraucht hat. Er ist in das neuralgischte Fettnäpfchen in diesem Umfeld getreten. Das war nicht mehr auszubügeln.

 "Aber ich kenne ihre Mutter, ihren Vater. Ihnen zuliebe werfe ich sie jetzt nicht sofort aus dem Haus. Aber ich wünsche, daß, wenn sie gegangen sind, sie nicht so schnell wieder vor meinen Augen treten werden. Haben Sie mich verstanden?"

 "Ja, Madame", antwortet der übertölpelte Ministrant Oskar.

 Aber im nächsten Augenblick kommt die Wut hoch.

 Die gnädige Frau hat ihm großzügigerweise ein paar letzte Tage gewährt... Überhaupt, wie dumm er doch ist, auf so eine dusselige Intrige hereinzufallen... Will er noch einen Rest Stolz aufrechterhalten, müßte er auf der Stelle Koffer packen, Adieu sagen und abreisen, ja das müßte er...

 "Marie, ich werde sofort abreisen!"

 "Aber Mon Cherie, jetzt, Oskar, wo, das kannst du doch nicht..."

 "Doch Marie, ich muß! Sag es deiner Mutter!"

 Es ist 23 Uhr.

 Als Marie wiedererscheint, läßt sie von ihrer Mutter ausrichten, daß er sich wohl einen besseren Zeitpunkt aussuchen solle als nachts, wo in diesem abgelegenen Dorf kein Zug mehr fährt.

 Er hat sich erneut blamiert.

 Schlaflos liegt er die Nacht über im Bett: Wie am besten anstellen zurückzuschlagen? Er springt auf: Ja, indem ich einfach einen Tag später als geplant nach Hause fahre. Ich lege dann einfach den Eltern auf den Nerven, das ist das Klügste. Es ist eh schon alles den Bach hinuntergegangen.

 So beabsichtigt er einen Tag später als geplant nach Hause zu fahren.Es gefällt Oskar auch hier; nichts zieht ihn schließlich auch zurück. Allerdings versäumt er es, die Verschiebung seiner Abreise kundzutun. Eigentlich wollte er dies ja auch nicht, um die Eltern zu täuschen und zu ärgern.

 Dies Gastgeber schlagen sofort zurück und teilen ihm über Kontakt- und Schaltstelle Marie mit, man nehme ihm es übel.

 Die Transistoren brennen bis zum Durchbrennen. "Eine Frechheit! Jetzt reicht's wirklich. Ich verschwinde auf der Stelle." Aber inzwischen hat er erneut die Gelegenheit verpaßt, indem er den ganzen Tag bereits vertrödelt hat und es auch schon wieder 22 Uhr geworden ist: um diese Zeit setzt sich kein öffentliches Verkehrmittel mehr Bewegung.

 In seiner wutendbrannten Panik, die keinen Ausweg mehr sieht, will er nichtsdestotrotz und umsomehr, selbst jetzt nachts um 23 Uhr auf Biegen und Brechen nach Hause fahren. Die Mutter lapidar, meint, er wolle sie wohl auf den Arm nehmen, kehrt ihm die kalte Schulter zu und geht beleidigt aus dem Wohnzimmer zum Schlafen.

 Da steht er wie der begossene Pudel. Was tun? Draußen ist es kalt, hat schon geschneit. Erneut hat er nicht mit der Unverfrorenheit der Erwachsenen gerechnet.

 Am nächsten Tag erst in aller Herrgottsfrühe, auf der Heimfahrt, zu spät, wird ihm sein unsäglich dummes Verhalten klar: In den Augen aller hat er sich einige Male gehörig daneben benommen. Am schlimmsten jedoch, daß er nicht auf Einsichten hat sofort die nötigen Konsequenzen folgen lassen, warum ist er nicht sofort aus dem Elternhaus geflüchtet, in die Nacht hinaus, hat dieser Familie deutlich den Rücken gekehrt? Auch wenn er dem Nichts entgegengelaufen wäre, so hätte er doch Mut bewiesen! - Sich aber so nicht ernst genug genommen. Warum ist er so schwach?  

 In der Folgezeit werden die Dinge so arrangiert, daß er keinerlei Chance mehr auf ein Treffen mit Marie erhält. Telefonische Kontaktaufnahmen werden von der Mutter vereitelt, da sie ihn entweder wieder mit Vorwürfen überhäuft oder bald darauf, als sie seine Stimme vernimmt, schlußendlich sofort auflegt.

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